Auch ich kenne im letzten Blogbeitrag beschrieben Situation in der man ständig über seine eigenen Grenzen geht. Ich war in einer Lebenssituation, in der ich von morgens bis abends eingespannt war. Ich habe Verantwortung für mein Unternehmen getragen, einen nahestehenden schwer kranken Menschen umsorgt, nebenher studiert und den Haushalt organisiert. Irgendwann war ich zehn Kilo leichter und nicht nur körperlich, sondern auch seelisch ausgezehrt. Dabei ging es nicht darum, dass ich gehasst habe, was ich tat oder Opfer der Umstände war. Ich habe schlicht vergessen, mich um mich selbst zu kümmern, habe wider besseren Wissens und Spürens nicht auf mich achtgegeben.
Im Nachhinein kann ich sagen, hätte ich einen entscheidenden Moment in meinem Leben nicht gehabt, dann hätte ich mich vermutlich irgendwann in Luft aufgelöst. In diesem Schlüsselmoment, wurde mir schlagartig klar, dass ich mich selbst wirklich ausnahmslos immer an die erste Stelle stellen sollte. Ich war gerade Mutter geworden und pendelte mit dem Flugzeug von Hamburg nach München. Mein Mann arbeitete in Hamburg und ich hatte mein Unternehmen in München. Zu Beginn jedes der wöchentlichen Flüge wurden die Sicherheitsanweisungen gezeigt und immer hing ich gedanklich an derselben Stelle fest. Es war der Moment, in dem die Anweisung gegeben wird, dass man bei Druckverlust zunächst immer sich selbst mit der Sauerstoffmaske versorgen solle und erst danach Kinder, Angehörige und andere Passagiere. Dabei hatte ich immer meinen wenige Monate alten Sohn auf dem Schoß und natürlich stand auf meiner Stirn gedanklich ein klares »Nein« geschrieben. Immer, so war ich überzeugt, würde ich als Erstes mein Kind versorgen und erst danach mich selbst. Vielleicht liegt das einfach in den Genen einer Mutter. Zuerst mich selbst zu versorgen, kam für mich absolut nicht in Frage. Vor meinem inneren Auge sah ich meinen kleinen Sohn nach Luft schnappen und japsend auf meinem Schoß das Bewusstsein verlieren. Nie würde ich da zuschauen können – ein schier unerträglicher Gedanke! Nein: ein unmöglicher Gedanke! Einfach nicht realisierbar. Diese Vorstellung hat mich lange beschäftigt. Immer wieder musste ich nachgedenken, wie ich in einer solchen Situation handeln würde, warum so und warum nicht anders.
Dann lernte ich eine Stewardess kennen und kam mit ihr schnell auf ebendiese Frage und meinen inneren Konflikt zu sprechen. Als Erklärung genügte ihr nur ein Satz: »Wenn du in Ohnmacht fällst, kannst du deinem Kind gar nicht mehr helfen!« So einfach war das also. Klar, das ist logisch und letztlich alternativlos. Plötzlich kam ich mir so blöd vor, dass mir dieser einfache Zusammenhang bislang nie in den Sinn gekommen war.
Aber in diesem Moment begriff ich, dass es genau darum im Leben eigentlich immer geht. Wenn es wirklich darauf ankommt, sind wir auf uns selbst gestellt. Da ist keiner, der für uns sorgen kann. Auch wenn wir im besten Fall Menschen um uns herum haben, die für uns da sind, gilt das nicht bedingungslos. In existenziellen Momenten oder bei ernsten Problemen kann auch der beste Freund und engste Angehörige nur wenig für uns tun. Denn letztlich wissen nur wir selbst, was uns gut tut, was wir brauchen und wie es weitergeht. Wir leben ja schließlich mit uns und unseren Gefühlen und Gedanken, seit wir geboren wurden und sind Spezialisten für uns selbst geworden. Aber wenn wir uns dessen bewusst sind, warum stellen wir uns dann nicht von Anfang an in den Mittelpunkt unserer Achtsamkeit und sorgen immer für uns? In mir hat das eine Wende bewirkt.
Ab diesem Zeitpunkt hatte ich in jeder Situation, in der ich mich überfordert oder mich überlastet gefühlt habe, das Flugzeugbild vor Augen. Es hat mich daran erinnert, dass ich mich immer erst um mich kümmern muss, weil mir nämlich keiner helfen kann außer mir selbst und weil ich auch für andere nicht da sein kann, sollte ich zusammenbrechen. Ich habe mich ganz offiziell zu meiner eigenen Königin erklärt und mir überlegt, wie ich mich selbst behandeln möchte, angenommen ich wäre eine Königin. Dadurch habe ich Abstand gewonnen und es ist mir leichter gefallen mich in den Mittelpunkt zu stellen und es mir selbst gut zu machen, beziehungsweise mich gut zu behandeln und zu umsorgen.
Probieren Sie einmal aus, sich selbst als den wichtigsten Menschen zu betrachten, so als wären Sie jemand anderer. Suchen Sie sich ein für Sie stimmiges Bild aus. Für mich ist es die Königin, weil ich sie mit einer stolzen und aufrechten Haltung verbinde und das für mich stimmig ist. Es kann aber auch ein anderer Mensch oder eine Figur sein, die für Sie etwas verkörpert das Sie selbst gerne wären.
Wenn Sie ein passendes Bild gefunden haben, überlegen Sie so oft es geht, was Sie dem Menschen jetzt gerne Gutes tun würden und tun Sie es für sich. Umsorgen Sie sich mit Wertschätzung und Anerkennung so, wie Sie einen Ihnen nahen und wertvollen Menschen umsorgen würden. Fragen Sie sich, welches Essen Ihnen gut tut, wann und wie viel Pausen Sie brauchen und wie viel Schlaf. Seien Sie milde mit sich und zuvorkommend. Ebenso, wie wir es vielleicht mit Königen/innen machen würden. Und genießen Sie jede gute Tat, die Sie sich selbst tun. Denn Sie sind es wert das beste, angenehmste, schönste und glücklichste Leben zu führen – einfach nur, weil Sie so sind, wie Sie sind!
Ihre Maja Günther
Comments are closed